Der Absturz der Germanwings-Maschine mit Flugnummer 4U9525 am Dienstag hat in Deutschland und teilweise auch in Europa „Entsetzen“ und „Trauer“ ausgelöst [etliche Medienportale benutzen diese Wörter].

Meine Trauer hingegen gilt leider nicht den 149 in den Tod gerissen, ich habe nicht mal das Recht, von Trauer zu sprechen. Ich kannte diese Leute nicht, ich spreche ihren Angehörigen mein Mitgefühl aus, ja, aber ich trauere nicht. Ich trauere um den deutschen Journalismus, der im Land der Dichter und Denker untergeht.

Die außergewöhnlich starken Wörter, mit denen der Absturz von Anfang an beschrieben wurde, haben mich bereits bei der ersten Meldung verwundert. Um das klar zustellen: ich lese nie die Bild-Zeitung. Aber hetzerische und gemessen am aktuellen Informationsstand übertrieben entschlossene Schlagzeilen kann man derzeit wohl auch bei ehemals seriösen Medien lesen.

Nicht nur, dass der vollständige Name, ein Bild seines Hauses und seiner Familie [wie ich Twitter entnehmen konnte] veröffentlicht wurde, es wird auch trotz noch völlig unzureichender Informationen ein Hergang Absturz simuliert aufgrund von „Atemgeräuschen“. Aha.

Dass es einige weitere Situationen gibt, die ebenfalls zu dem Absturz hätten führen können, zum Beispiel eine Bewusstlosigkeit (bei der man noch atmet), wird gar nicht diskutiert, die Lufthansa selbst dürfte den Umständen entsprechend erleichtert sein, dass ein glimpflicher, weil monetär günstigerer, Ausweg aus der Katastrophe gefunden wurde.

Nachdem also eine Erklärung gefunden wurde, die für alle gestressten und vom Burnout bedrohten Deutschen einfach und leicht verständlich ist (und bloß nicht zu differenziert, denn das würde Hirnenergie verbrauchen, die man für Unterhaltung und Sex braucht), wird also selbst von renommierten Blättern die beweislos Fakten besiegelnde Bild-Sprache verwendet.

Ist also mit den 75 Deutschen (ja, es waren 75 und nicht 150, was den massiven Dammbruch an Schlagzeilen noch weniger rechtfertigt) auch der Journalismus abgestürzt?

Meine Trauer kann gar nicht diesen Menschen der Germanwings-Maschine gelten, nein, sie gilt der intellektuellen Verwahrlosung meiner Mitmenschen. Das war ein tragischer Flugzeugabsturz und kein Grund zum aktionistischen Handeln (Einführung der Zwei-Mann-Regel), Psychoanalytisierung des Co-Piloten, Live-Blogs, die fünfminütlich minimal abgeänderte Posts senden, oder gar Programmänderungen (RTL, geht’s noch?!).

Hätte ich ein Abonnement einer großen Tageszeitung, würde ich es kündigen. Hätte ich Kontakt zu Journalisten, würde ich ihnen mein Beileid aussprechen. Ich bin froh, dass es noch Leute wie Alice Bota oder Bettina Schmieding gibt, die sich nicht der Faulheit von unüberdachten Argumenten hingeben. Für alle anderen Medienmenschen da draußen ist mein Respekt bis auf Weiteres eingestellt.